Heute ist Mélanie (einer meiner Blogleserinnen) an der Reihe und erzählt uns ihre Geschichte in Bezug auf die FIRE-Bewegung und das Thema persönliche Finanzen in der Schweiz. Sie ist 27 Jahre alt und kommt aus dem Kanton Neuenburg. Viel Vergnügen beim Lesen!
Es fing nicht durch Zufall an mit dem Thema FIRE (“Financial Independence, Retire Early”, zu Deutsch: “Finanzielle Unabhängigkeit, Frühzeitiger Ruhestand”), sondern es brauchte ein spezielles Ereignis dazu.
Mein Mann und ich besitzen ein Haus und seit einiger Zeit sprachen wir davon, eine Garage für unsere Autos zu bauen. Und dies ist wirklich kein Luxus, denn wir leben in den Bergen und mit dem Schnee, der da manchmal fällt …
Also haben wir bei der Bank einen Kredit beantragt und du weisst ja, wie das so läuft …
Mit den Sommerferien unseres Beraters und denen der Gemeindeverwaltung …
Die Bewilligungen liessen auf sich warten.
Aber wir mussten Entscheidungen treffen, die Baustoffe für unser Projekt stiegen von Woche zu Woche um 12 %. Wir haben die Bestellung also bestätigt und mussten grosse Beträge vorstrecken.
Wir hatten gespartes Geld, fast genug, um die ganze Garage ohne Kredit zu bezahlen. Aber wir hätten keinen einzigen Franken mehr auf der Seite gehabt und das wollten wir vermeiden, falls wir in eine unvorhergesehene Situation gekommen wären.
Aber wir mussten so viel Geld vorausschiessen, dass wir tatsächlich blank waren – na ja, fast.
CHF 70 waren noch auf unserem Bankkonto …
Im letzten September, ganz zu Beginn des Monats, hatte jeder von uns nur noch 70.- CHF auf seinem Konto …
Das war zwar nur für kurze Zeit, denn wir wussten, dass wir am Ende des Monats unsere Löhne bekommen würden. Aber wir arbeiten beide fast eine Stunde Fahrzeit mit dem Auto von unserem Wohnort entfernt und haben daher hohe Benzinkosten.
Zum “Glück” war ich in diesem Monat krank.
Eine Grippe.
Und aufgrund der Symptome hat mir mein Arbeitgeber nicht erlaubt, ins Büro zu kommen, also konnte ich zwei Wochen lang im Homeoffice arbeiten (und schon hatte ich ein bisschen Geld gespart).
Wir haben uns dann überlegt, wie wir das ganze Geld, das “schlummert”, verwenden könnten: Reka-Checks für Benzin, Coop- und Cumulus-Punkte, Geschenkgutscheine, das Kreditlimit unseres gemeinsamen Kontos und als letzte Möglichkeit die Kreditkarte.
Da habe ich angefangen, im Internet zu recherchieren, wie man Geld sparen kann, so die grundlegenden Sachen.
Ich bin auf viele wirklich interessante Blogs gestossen, unter anderem auch auf deinen 😉. Je mehr ich las, desto mehr wollte ich wissen!
Ich begann, eine Reihe von Tipps umzusetzen, als erstes den wöchentlichen Menuplan, den wir im Voraus erstellten. So konnten wir unsere Lebensmitteleinkäufe und andere Ausgaben auf ein Minimum reduzieren.
Nicht, dass wir sehr verschwenderisch gewesen wären. Nein, im Gegenteil, wer kann sich schon mit 23 ein Haus leisten! 😉
Aber wir konnten unsere Ausgaben noch mehr zurückschrauben. Wir haben immer einfach gelebt, wir kommen beide aus Familien, die uns den Wert des Geldes beigebracht haben. Meine Eltern haben mir nie Sackgeld gegeben und ich habe, seitdem ich 14 Jahre alt war, kleine Jobs angenommen.
Frugalität als neuer Lebensstil
Ich hatte die Gewohnheit abgelegt, unsere Mittagessen zu kochen und das wurde (wieder) zu einem echten Vergnügen. Vor allem motiviert es, wenn man weiss, wie viel man dabei sparen kann. Ich versuche, Rezepte mit den Zutaten aus meinem Vorratsschrank zu finden, was fast schon wie ein Spiel ist. Auch wenn ich dafür bin, dass wir uns die Arbeit teilen, überlasse ich unter der Woche nur selten meinen Platz in der Küche!
Nachdem wir unsere Septemberlöhne und den Kredit von der Bank erhalten hatten, wandten wir weiterhin unsere kleinen frugalen Tricks an, um möglichst viel zu sparen, was wir übrigens bis heute noch tun.
Mein Mann kümmert sich nicht gross um finanzielle Angelegenheiten. Nicht, dass es ihn nicht interessieren würde, aber sagen wir es so: Er weiss, dass ich mich um alles kümmere, ich manage das alles seit ein paar Jahren (weisst du, da drückt meine Ader als kaufmännische Angestellte durch).
Auf Teilzeit umsteigen? Mit 27?!
Als ich deinen Blog intensiv durchgelesen habe, ist in meinem Kopf so langsam eine bestimmte Idee gewachsen. Ich hatte auch Lust, aus diesem Teufelskreis von Métro-Boulot-Dodo auszubrechen.
Die Möglichkeit, mein Arbeitspensum zu reduzieren, wäre schon super, auch wenn es komisch ist, so früh darüber zu sprechen. Mit 27 Jahren!
Ich habe mich also mit dem Thema Börse befasst und mein DEGIRO Konto eröffnet😄.
Und das liebe ich!
Ich ging noch weiter und eröffnete ein Konto bei Finpension!
Also, die Zeiten sind nicht gerade rosig und ich musste meine Nerven direkt auf die Probe stellen, da ich einen Einbruch nach dem anderen hinnehmen musste. Aber aufgrund all der guten Ratschlägen, die ich lese, verkaufe ich nichts wieder, im Gegenteil, ich nutze die niedrigeren Aktienpreise aus!
Ich habe auch ein paar Excel-Tabellen erstellt, um meine Ausgaben und meine Einnahmen zu berechnen und so meine monatliche Sparrate (42.5 % im Mai, ein Rekord!) zu berechnen.
Geld verwalten als Paar …
Ich verwalte auch unser gemeinsames Konto auf diese Weise. Wir hatten immer die Tendenz, ins Minus zu kommen und danach wieder kompensieren zu müssen.
Aber jetzt, mit dieser Vorgehensweise, gelingt es uns, jeden Monat etwas zur Seite zu legen, um die grossen Rechnungen für die Nebenkosten des Hauses im Voraus mit einzukalkulieren.
Konkret bedeutet das, dass jeder von uns einen festen Betrag (der jeden Monat gleich ist) einzahlt, abhängig von unseren Löhnen. Das Ziel ist natürlich, dass wir nicht jeden Monat noch etwas drauflegen müssen.
Aber zum Beispiel müssen wir sehr bald eine hohe Rechnung für den Unterhalt eines Fahrzeugs bezahlen und das anfänglich eingezahlte Geld reicht dafür nicht aus. Daher teile ich den Rechnungsbetrag durch zwei und jeder überweist den festgelegten Betrag zusätzlich.
So machen wir das bei nicht alltäglichen Rechnungen. Für den laufenden Unterhalt des Hauses müssen wir nicht mehr so vorgehen, da sich auf diesem Konto langsam etwas anspart.
Ich habe auch Möglichkeiten gefunden, um ein paar Franken dazuzuverdienen, zum Beispiel durch Online-Umfragen, über Rabattcorner, myHelsana (die mir eine Belohnung für meine sportlichen Aktivitäten geben), meinen Arbeitgeber, der mir einen Teil meines Sportabonnements erstattet, und so weiter. Mir ist eigentlich jedes Mittel recht!
In unseren Schränken waren auch noch einige Dinge, die wir nicht brauchen. Denen habe ich ein zweites Leben geschenkt, indem ich sie verkauft habe. Auch die Verdienste daraus landeten im gemeinsamen Topf.
Ok, es stimmt, mein Mann bezeichnet mich öfter als Bobo und dann fühle ich mich auch zu radikal, aber ich sehe, dass meine Art, meine Ausgaben zu reduzieren, ihn auch motiviert, dasselbe zu tun.
Übrigens, er war doch sehr erfreut, als ich für ihn ein Second-hand-T-Shirt seiner Lieblingsmarke für 1.40 CHF ergattern konnte!
Ich weiss, dass ich lernen muss, etwas lockerer zu werden und einzusehen, dass er mit seinem Geld macht, was er will, aber trotzdem? Was sollen all diese kleinen Ausgaben auf dem gemeinsamen Konto? Haha!
Damit wir uns richtig verstehen: Ich halte mich aus dem Konto meines Mannes raus und er möchte nicht denselben Weg einschlagen wie ich (im Moment jedenfalls) und diese Entscheidung liegt bei ihm.
Gedanken zu unserem nächsten Lebensabschnitt
In letzter Zeit denke ich immer mehr nach.
Meine Arbeit wird manchmal langweilig, auch wenn ich eigentlich liebe, was ich tue.
Aber die Tatsache, dass ich für einen anderen Chef als mich selbst arbeiten muss, macht mir zu schaffen und ich kann die ganze Routine nicht mehr ertragen.
Wir verbringen oft unsere Abende damit, darüber nachzudenken, eine eigene Firma zu gründen, und ich denke, dass dies unser nächster Schritt sein wird.
Bis Ende des Jahres sollte ich ~100k CHF Nettovermögen haben, sofern keine weiteren Arbeiten am Haus anfallen.
Es steigt zwar nur langsam an, aber ich bin zufrieden damit, wenn ich die Hypothek für das Haus mit einbeziehe, dass ich auf diesen Betrag komme.
Im Detail setzt sich mein (nur mein eigenes) Nettovermögen Ende Mai 2022 wie folgt zusammen:
- Haus ½: CHF 66'000 (Bank Cler)
- Kontokorrent: CHF 9'700 (Raiffeisen)
- Sparkonto: CHF 5'900 (Raiffeisen)
- Gemeinsames Konto ½: CHF 700 (PostFinance, was wir in Anbetracht der Gebühren schnell ändern sollten …)
- Zweite Säule: CHF 16'000
- Dritte Säule: CHF 6'800 (Allianz und Finpension)
- Börse: CHF 4'800 (aufgeteilt auf Raiffeisen Rio und Degiro; jetzt, wo ich mich auf Degiro ausgetobt und das Konzept verstanden habe, werde ich alles hierher verschieben)
- Total: CHF 109'900
Jetzt, wo ich alles nochmals durchgerechnet habe, sehe ich dass die Berechnung für das Haus falsch war und ich bin also bereits bei über 100k CHF angelangt!
Schauen wir das Ganze in 2-3 Jahren noch einmal an, um zu sehen, ob ich dann eine halbe Million CHF überschritten habe! :D
Meine Notizen zur Geschichte von Mélanie
Braucht es einen Finanzleader in der Partnerschaft?
Melanie folgt dem gleichen Modell wie die Familie MP: ein Steuermann und ein Co-Pilot.
Von dem, was ich seit 2014 gesehen habe, ist es oft eine der beiden Personen in einer Partnerschaft, die das Thema der persönlichen Finanzen in die Hand nimmt. Und selten beide.
Angesichts der sich ergänzenden Charaktereigenschaften, die ein Paar braucht, um langfristig zusammenzubleiben, denke ich, dass dies aus psychologischer Sicht vielleicht völlig normal ist.
Also, wenn das bei dir der Fall ist, kann ich dir versichern, dass du nicht die einzige Person bist, der es so geht!
Und falls ihr im Gegensatz dazu in eurer Beziehung in diesem Thema zwei Piloten seid, dann würden mich deine Erfahrungen interessieren.
Mental stark!
Als ich die Geschichte von Mélanie gelesen habe, machte ich mir folgende Gedanken:
Wow, es ist beeindruckend! Mit 27 Jahren als Neuling an der Börse mitten in einem Krach kauft sie, ohne etwas wiederzuverkaufen. Ohne Panik.
Da sage ich wirklich: “Hut ab!” Denn wenn du 4 % all deiner Ersparnisse an der Börse investierst und diese wie Schnee an der Sonne schmelzen, dann kann ich dir sagen, dass mehr als einer alles abgebrochen hätte.
Auf jeden Fall hat sie die richtige Einstellung an den Tag gelegt. Während einem Börsenkrach herrscht Ausverkaufsstimmung: Dann soll so viel wie möglich gekauft und NICHTS wiederverkauft werden.
Erfolg bei den Finanzen des Paares: Zeige den Weg, erkläre ihn nicht!
Mélanie ist auch ein perfektes Beispiel der Vorbildfunktion gegenüber ihrem Partner.
Sie sagt: “aber ich sehe, dass meine Art, meine Ausgaben zu reduzieren, ihn auch motiviert, dasselbe zu tun”
Das erinnert mich an eine der menschlichen Charaktereigenschaften, die dich reich oder arm machen können: “Du bist der Durchschnitt der 5 Personen um dich herum.”
Denn der Mensch ist eine Mimikmaschine. Wenn also dein Partner sieht, wie du regelmässig etwas tust, wird er mit der Zeit dazu tendieren, dich zu imitieren.
Mit gutem Beispiel vorangehen (anstatt zu sagen “tu dies oder das”) ist die beste Strategie, um deinen Partner auf den Weg der finanziellen Unabhängigkeit oder des Reichtums zu bringen.
Mustachianismus und Unternehmertum
Zu guter Letzt sah ich einen Zusammenhang mit meinen kürzlich geposteten Artikel, als Mélanie mir erklärte, dass sie sich nicht mehr wohl dabei fühle, für einen Chef zu arbeiten. Und dass sie eben gerade ihre eigene Chefin sein möchte.
Ein weiteres Beispiel für die Devise, dass Mustachians, die etwas auf sich halten, oftmals ängstliche und verkappte Unternehmer sind ;)
Und was sagst du dazu, was löst Melanies Geschichte bei dir aus?