Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich schon im Alter von 3 Jahren zum Pendler! Regelmässige Schulwege, immer dieselbe Strasse hin und zurück, monatelang. Sogar jahrelang.
Dann ins Gymnasium, dann zur Universität und schliesslich zur Arbeit. Für alles gab es eine eigene Pendler-Routine. Von fünf Minuten bis zu einer Stunde – das war glücklicherweise das Maximum bei mir!
Wenn ich heutzutage Leute während der 20 Minuten im Zug lesen sehe – was die meisten tun – erinnert mich das daran, dass das bei mir während zwei Drittel meiner fast 30-jährigen Zeit als Pendler nicht besser war.
Als Teil meiner Ziele für 2015 lese ich derzeit Essentialismus: Die konsequente Suche nach Weniger - Ein neuer Minimalismus erobert die Welt von Greg McKeown, der in einem der Kapitel erläutert, wie du dein Leben entwirfst, statt es andere für dich entwerfen zu lassen.
Nur weil irgendein Werbe-Baron dir kostenlosen Lesestoff während deiner Pendlerzeit offeriert, heisst das noch lange nicht, dass du ihn lesen musst!
Ich meine, du kannst natürlich deine Zeit verschwenden, wenn du willst, ich hab’ damit kein Problem. Aber wenn du wählst, sie zu verschwenden, tu das richtig und bewusst! Und schon ist es gar nicht mehr so sehr eine Verschwendung – weil du eine Wahl getroffen hast – sondern etwas, worauf du dich entschlossen hast, Zeit zu verwenden; etwas, das dir einen Wert oder Vergnügen bietet.
Vor über fünf Jahren habe ich beschlossen, meine Transitzeit so gut wie nur möglich zu nutzen und sie nicht mehr zu verschwenden.
Ich habe alles von “nur Auto” über “ÖV” und “nur Fahrrad” durch und führe unten all die Dinge für dich auf, die ich bisher während meiner Pendlerzeit getan habe. Dinge, zu denen ich mich absichtlich entschlossen habe, und nicht weil es Standard ist!
Der Wert mancher Aktivitäten könnte auf deiner Skala anders sein, aber der Punkt ist, dass du sie definierst und tatsächlich tust, was den meisten Sinn in dein Leben bringt!
Ich habe Aktivitäten in drei grosse Kategorien nach Fortbewegungsmittel eingeteilt, und eine vierte, in der ein paar häufige Aktivitäten gruppiert sind, die in jeder der anderen Kategorien möglich sind.
Fahrrad/zu Fuss – Die gesunden Aktivitäten
- Spür, wie lebendig dein Körper ist und erkenne, dass du Lebenspunkte gewinnst. Spür deine Muskeln und die Kraft, die sie generieren, während du von A nach B gelangst! Als ob du Super Mario wärst, der Goldmünzen sammelt!
Wenn du der Technologie genug vertraust (oder sie magst), kannst du dir sogar von einer Smartwatch sagen lassen, wie viele Minuten du Gevatter Tod abgerungen hast – einfach nur, indem du mit dem Rad fährst oder zu Fuss gehst. - Sei dir des Moments bewusst. Und geniesse ihn! Um mich mit all dem Leben und der Wildnis um mich herum zu synchronisieren, konzentriere ich mich auf meinen Atem, um mir voll bewusst zu sein, was passiert. Dadurch höre ich auf, über dieses oder jenes Projekt, dass ich auf der Arbeit zu Ende bringen muss, nachzudenken und geniesse den einzigartig schönen Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang, der gerade jetzt in genau diesem Moment stattfindet!
- Eine weitere Aktivität, die ich zugegebenermassen nicht oft mache, ist sportliches Training, das ein grossartiger Weg ist, deine Pendlerstrecke maximal auszunutzen! Statt CHF 1'000/Jahr auszugeben, um in einem Raum zu strampeln, spar das Geld einfach und sei sportlicher/aktiver, als du normalerweise während deiner Transitzeit bist. Zum Beispiel könntest du einen Kilometer deines Weges von der Haltestelle nach Hause im Sprint zurücklegen – besser nicht andersherum, damit du direkt danach duschen kannst :) So machst du das Beste aus deiner Zeit und zahlst keine Fitnesscenter-Gebühren!
ÖV – Die fleissig-kreativen Aktivitäten
- Bloggen ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich bin gerade jetzt im Zug, während ich Zeug auf meiner iPhone-Tastatur tippe. Bahnfahrten sind tatsächlich eine super Quelle für Inspiration, da du nicht von Störungen von aussen abgelenkt wirst (ausser vielleicht von einigen lärmenden Leuten, aber Spotify steht an deiner Seite für den Gegenangriff!) und weil du nur aus dem Fenster zu sehen brauchst, um deine Kreativität zu erneuern! Danke, Mutter Natur!
- Lesen steht auf Platz 2 meiner bevorzugten Aktivitäten. Du solltest es wirklich versuchen (allerdings nicht mit den 20 Minuten), diesen Effekt der Blase zu fühlen, die sich um dich herum formt und jede Ablenkung von dir fernhält. In der Tat musst du, wenn du etwas Sinnvolles liest, nicht mal deine Aufmerksamkeitsspanne managen, weil du völlig fokussiert bist – wie bei allem, was du gerne tust!
- Private Projekte verdienen auch einen Platz in der Top 3! Mein Blog ist eigentlich ein “privates Projekt”. Aber hier schliesse ich auch Dinge ein wie zum Beispiel eine iPad-App oder eine neue Website zu entwickeln. Oder irgendetwas anderes, wovon du dir vorstellen kannst, dass man es auf einem Laptop tun kann – oder zumindest auf so kleinem Raum wie einem Sitz im Zug!
Dank meines ehemaligen 1-stündigen Pendelns per Zug, wo ich schlechte 4G-Abdeckung hatte (sprich, “jede Menge völlig konzentrierte Zeit”), schaffte ich es, mich in ein grösseres Software-Projekt zu vertiefen, dem ich zwei komplette Stunden widmen konnte. Jeden Arbeitstag. Es war ein Erfolg! - Arbeiten ist auch etwas, das ich tue, um den ROI der im Zug verbrachten Zeit zu maximieren. Wenn du zufällig pro Stunde bezahlt wirst, ist es ein grossartiges Gefühl, im Büro anzukommen und schon etwas Zeit abrechnen zu können, noch ehe du am Schreibtisch sitzt!!! Ich mag es besonders, meine E-Mails zu lesen und zu beantworten, so dass die Inbox leer ist, wenn ich im Büro ankomme und ich mich ganz auf meine Things-To-do-Liste konzentrieren kann.
- Nickerchen waren eine “Aktivität”, die ich sehr viel praktiziert hatte, als ich mich noch nicht so um die Länge meines nächtlichen Schlafs gekümmert hatte. Es ist kein sehr bequemer Ort zum Schlafen und ich habe es völlig fallengelassen, seit ich wieder bei meinen 8 Std. Schlaf jede Nacht bin. Aber es kann ein guter Weg sein, Schlafmangel nach einer Party zu kompensieren, die zu lange gedauert hat. Mein Rat dazu: nur, wenn nötig und keine Gewohnheit draus machen.
Wenn du tagsüber reist, ist das eine andere Geschichte, weil du die kurze Transitzeit nutzen kannst, um dein Energielevel durch ein Schläfchen zu regenerieren! - Essen ist die eine Sache, die erst nicht so offensichtlich ist, aber wenn du drüber nachdenkst, ist es eine Möglichkeit, wie du morgens später aufstehen und bei einem grossartigen Ausblick frühstücken kannst! Und da du später aus dem Bett musst, kannst du dann die Rentabilität deiner wertvollen Tage um ein paar weitere Minuten oder Stunden erhöhen!
- Einfach die Aussicht geniessen! Die Schweiz ist ein so schönes Land, in dem jede Jahreszeit ihre eigenen wundervollen Farben hat. Ich mag besonders die Zeit des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs im Frühling oder Herbst. Eine der Zugfahrten, die ich manchmal mache, ist die von Freiburg nach Lausanne. Sie bietet eine atemberaubende Aussicht auf den Genfer See bietet, wenn du aus dem Tunnel bei Puidoux kommst. Urteile selbst:
- Diskutiere mit Menschen um dich herum! Ich gebe zu, dass ich das beim Pendeln zur und von der Arbeit nicht sehr oft tue, aber ich traf mal einen sehr interessanten Menschen auf einer privaten Reise. Es war an einem Sonntag, und der Typ kam aus Paris zurück. Er erklärte mir, wie er in Afrika aus dem Nichts eine NGO auf die Beine gestellt hatte, deren Ziel es war, sich um Waisenkinder zu kümmern. Wir sind bis heute in Verbindung. Und ich hätte ihn nie kennengerlernt, wenn ich nicht offen gewesen und aus meiner Komfortzone herausgekommen wäre.
Leider sind Pendlerzüge oft voll und die Leute in einer eher nicht-sozialen Einstellung, wenn sie auf ihre winzigen Bildschirme sehen, oft noch mit den Kopfhörern aufgedreht. Ich nehme mich da nicht aus… Aber trotzdem, es kann eine interessante Aktivität sein, Kontakte zu knüpfen und sich zu unterhalten, weil man nie weiss, was man dabei lernt! Das Leben hält viele Überraschungen bereit!!!
Fahren – Die soziale Aktivität
- Die Haupt-Auto-Aktivität, bei der ich bedaure, dass ich sie nicht mehr habe, jetzt, wo ich ganz mit dem ÖV unterwegs bin, sind Telefonate. Ich nutzte diese Zeit, um mit meiner Familie, Cousins und Freunden in Verbindung zu bleiben, um Neuigkeiten zu erfahren, Partys zu planen und noch so einiges sonst. Seit ich diese nützlichen Zeiträume nicht mehr habe, rufe ich sie während des Mittagessens oder am Wochenende an. Die tägliche Routine des “Mal sehen, mit wem habe ich die letzten Tage/Wochen nicht mehr telefoniert?” ist damit etwas gestorben, aber ich habe sie schnell durch eine neue Routine ersetzt – wiederkehrende Erinnerungen im Kalender, was auch gut funktioniert.
Ortsunabhängige Aktivitäten
Dann sind da noch die Aktivitäten, die vom Transportmittel, das du nutzt, unabhängig sind.
- Podcasts anhören ist etwas, das ich beim Bügeln zu tun pflegte, aber es geht fast überall. Meine bevorzugten Podcasts beschäftigen sich mit Technologie, da das der Bereich ist, in dem ich arbeite, aber du kannst welche zu jedem Thema finden, wenn du im Internet suchst. Dies erinnert mich daran, dass ich mir ein paar zu Finanzen raussuchen sollte, da mich dieser Bereich zunehmend interessiert. Wenn dir der Sinn nach Ablenkung steht, könntest du auch Comedy-Podcasts, wie die von Laurent Gerra oder ähnliche wählen.
- Musik hören, die du selbst ausgewählt hast – vergiss das Radio und seine ewig gleichen Tracks auf Repeat! Unser Essentialisten-Motto ist für diesen Anwendungsfall noch relevanter: nutze deine Zeit bewusst, nicht standardmässig! Mein bevorzugter Service ist Spotify, mit dem ich neue Künstler entdeckt habe und immer noch dann und wann entdecke.
Es gibt dieser Tage so viele (kostenlose) Arten, an Musik zu kommen, dass du keine Entschuldigung dafür hast, immer noch das Zeug zu hören, das im Radio läuft, und von dem du pro zwanzig Tracks vielleicht einen oder zwei magst!
Das wären dann also meine Pendler-Aktivitäten der letzten Jahre.
Wie oben erwähnt, habe ich letzte Woche mein “Essentialismus”-Buch ausgelesen und es half mir dabei, mich endlich zu entscheiden, wie ich meine Pendler-Routine besser plane im Vergleich zu vorher, als ich mich jedes Mal, wenn ich in den Zug stieg, entscheiden musste, was ich lieber tun würde – was manchmal dazu führte, dass ich auf Twitter oder mit den Analytics-Daten dieses Blogs Zeit verbummelte…
Jetzt ist sie im Voraus festgelegt. Ich widme die morgendliche Fahrt zur Arbeit dem Schreiben von Blogposts, und die abendliche Fahrt nach Hause ist für das Lesen von Büchern reserviert. Nach einer Woche kann ich schon sagen, dass schon die Tatsache, dass ich diese Routinen festgelegt habe, tatsächlich sehr gute Ergebnisse zeitigt. Ich steige morgens in den Zug, suche mir einen Sitzplatz und fange an, Zeug in mein iPhone zu tippen. Abends ist es ähnlich; sobald ich sitze, hole ich das Buch, das ich gerade lese, aus meiner Tasche und los geht’s. Das ist genau so einfach, wie es klingt!
Ich frage mich, ob ich die meisten Pendler-Aktivitäten abgedeckt habe (ausser vielleicht Stricken) oder ob es noch mehr gibt?!? Was tust du, während du pendelst?
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