Steckt in einem Mustachian ein verkappter oder zu ängstlicher Unternehmer?

Letztes Update: June 17, 2022

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Mr Money Mustache (aka MMM) hat zu Beginn seiner Karriere genügend Geld gespart, um mit 30 einen (sehr) frühen Ruhestand zu geniessen.
Und was hat er dann gemacht? Er hat einen Blog ins Leben gerufen. Er hat noch mehr Schreinerarbeiten gemacht (eines seiner Hobbys).Und er hat sogar einen Coworking Space eingerichtet (für den sozialen Aspekt). Mit all diesen Aktivitäten hat er weiterhin Geld verdient, obwohl er kein spezifisches Einkommensziel mehr hatte. Sein Nettovermögen stieg dennoch immer weiter an. Und so viel ich weiss, möchte er diesen Tätigkeiten auch keinen Schlussstrich setzen, denn sie haben seinem Leben so viel Sinn gegeben.

Liz, vom FrugalWoods Blog, hat mit ihrem Mann und ihren Töchtern beschlossen, ihre Zelte in Boston abzubrechen, um sich auf einem riesigen, 66 Acres grossen Privatgrundstück Ackern inmitten der Natur in Vermont, USA niederzulassen. Sie bloggt immer noch (damit verdient sie Geld) und schreibt als Freelancerin Artikel. Auch ihr Mann hat bis vor kurzem noch seinen IT-Job ausgeübt. Er hat sich 2021 mit 37 offiziell frühpensionieren lassen und nützt seine Zeit, um Verwaltungsratsmitglied in zwei gemeinnützigen Vereinen zu sein, an freiwilligen Projekten für die Gemeinschaft seines Wohnorts mitzuarbeiten, Vater zu sein und sich um das Grundstück der Familie zu kümmern (er stellt Ahornsirup her, fällt Bäume, hackt Brennholz, repariert die zahlreichen Landmaschinen, mäht die Felder, sammelt Beeren usw.).
Wie MMM hat dieses Paar nicht vor, 16 Stunden am Tag auf seiner Veranda zu sitzen, Cocktails zu schlürfen und zu faulenzen.

Als Beispiel in der Nähe, in der Schweiz, kann ich meinen langjährigen Kumpel Mr RIP nennen, der seinem Spitzenlohn als Softwareingenieur den Rücken gekehrt hat. Praktisch FIRE (“Financial Independence, Retire Early”, zu Deutsch: “Finanzielle Unabhängigkeit, Frühzeitiger Ruhestand”), brauchte er vor allem eine grosse Veränderung in seinem Leben und hat er sich noch nicht festgelegt, wie seine zukünftigen Beschäftigungen genau aussehen werden. Aber ganz bestimmt wird er nicht stundenlang in Costa Rica am Strand liegen, sondern vielmehr italienische YouTube-Videos zum Thema persönliche Finanzen drehen. Und ich kann dir versichern, dass das eine Menge Mühe und Zeit kostet.

Und dann ist da noch mein Beispiel: Ich werde im September, wenn alles gut geht, auf 80 % reduzieren, um 20 % meiner Zeit diesem Blog und den dazugehörigen Projekten zu widmen, die ich so sehr liebe. Sobald ich FIRE bin, werde ich sicherlich mit anderen Schreibprojekten weitermachen.

Ich höre hier mit den Beispielen auf, denn ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben!

Warum warten, in einigen Jahren FIRE zu sein, wenn es heute schon möglich ist, Unternehmer zu sein?

All diese Lebensgeschichten werfen eine Frage auf: Sind wir alle, Mustachians, die FIRE werden wollen, am Ende nicht doch nur verkappte oder zu ängstliche Unternehmer?

Denn schlussendlich ist ein Unternehmer nichts anderes als eine Person, die unabhängig handelt und nicht der rechtlichen Unterordnung einer anderen Person unterliegt. Dies unterscheidet sie von einem Arbeitnehmer.

Aber Unternehmer zu sein bringt auch Verantwortung mit sich, die manche als Risiko ansehen, vor allem in finanzieller Hinsicht. Denn im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer ist der Unternehmer dafür verantwortlich, sich sein eigenes Gehalt zu verdienen. Mit all den Ängsten, die damit einhergehen. Insbesondere die Angst, nicht genug zu verdienen, um den eigenen Lebensstandard aufrechtzuerhalten und die Rechnungen bezahlen zu können.

Wenn man also FIRE ist, verschwindet diese ganze Angst. Denn man weiss, dass man immer dieses FIRE-Puffer hat. Und dann kann man eben verschiedensten Beschäftigungen nachgehen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was sie finanziell einbringen.

In der Realität ist es jedoch oft so, dass persönliche Projekte, für die man sich begeistern kann, ein Gefühl von völliger Freiheit und finanzieller Sicherheit mit sich bringen, das schnell zu einem beträchtlichen Geldfluss führt.

Das Thema finanzielle Unabhängigkeit hat also viel mehr mit unserer Psychologie zu tun als mit unserem Nettovermögen.

Nehmen wir also genau das Beispiel eines Unternehmers

Stellen wir uns also mal einen Unternehmer Anfang 20 vor, wie Pasquale, diesen Schweizer Multimillionär, der uns kürzlich an seinem Abenteuer teilhaben liess.

Er hat beschlossen, sich selbständig zu machen, bevor er FIRE wurde.

Er konnte nicht eine mögliche Frühpensionierung abwarten, um diese Freiheit auszuleben, die das Unternehmertum bietet.

Das Bedürfnis nach dieser Freiheit war für ihn vital.

Und dieses Bedürfnis war stärker als eine potenzielle finanzielle Sicherheit (auch wenn er vorsichtig in ein bekanntes Arbeitsfeld eingestiegen ist, in dem es eine Nachfrage gab).

Fazit

Diese Überlegungen, die mir seit einigen Monaten durch den Kopf gehen, waren nicht als Artikel gedacht, zumal ich nicht wusste, welche Schlussfolgerungen ich daraus ziehen sollte.

Aber diese Zeilen niederzuschreiben, hat mir geholfen, klarer zu sehen.

Ein Mustachian auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit (aka FIRE) ist ein verkappter Unternehmer, dem finanzielle Sicherheit wichtiger ist als Freiheit. Er braucht erstere, um letztere auszuleben.

Bei einem Unternehmer hingegen ist die Sensibilität für seine Freiheit grösser, und seine Psyche wird mit finanzieller Unsicherheit gut zurechtkommen (oder sie zumindest aushalten), um diese Freiheit zu erlangen.

Den Weg von FIRE anstatt jenen eines Unternehmers einzuschlagen, ist also vielmehr eine psychologische als eine finanzielle Entscheidung.

Auch wenn ich heute bereits 1.62M CHF Nettovermögen (d. h. die Hälfte des notwendigen Betrags, damit ich mich in der Schweiz als FIRE erklären kann) besitzen würde, würde ich persönlich meinen aktuellen Job nicht an den Nagel hängen, um nur vom Blog und anderen persönlichen Projekten zu leben. Denn aus psychologischer Sicht hätte ich immer diese finanzielle Unsicherheit, die mir im Kopf umherschwirren würde und könnte dieses Gefühl der absoluten Freiheit nicht verspüren. Aber das ist reine Ansichtssache, da sind wir uns einig :)

Ich gebe es also zu: Ich bin ein Mustachian, anders gesagt, ein verkappter und zu ängstlicher Unternehmer!


Und wozu inspirieren dich diese Gedankengänge? Wenn du irgendeinen Bezug zu Themen, Büchern oder mentalen Modellen siehst, die ich nicht auf meinem Radar habe, wäre ich sehr dankbar, wenn du mir dies über die Kommentare oder per E-Mail mitteilen könntest. Danke!


Titelbild: Tatiana Syrikova via Pexels

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Danke fürs Lesen!