Die meisten Menschen verlieren Geld an der Börse

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Letztes Update: 16. November 2024

Dieser Artikel ist eine deutsche Übersetzung des Original-Blogposts von JL Collins (in Englisch), der auf dieser Seite seines Blogs jlcollinsh.com gepostet wurde.


Wir verfügen also über dieses wunderbare Werkzeug, um stetig steigenden Reichtum zu erzeugen, aber – und dies ist ein grosses ABER – es handelt sich um einen wilden und aufreibenden Weg.

In Teil 1 und Teil 2 habe ich dir eine sehr rosige Betrachtung des Aktienmarktes und seines Vermögensbildungspotenzials präsentiert. Alles, was ich geschrieben habe, ist wahr. Aber auch dies ist wahr:

Die meisten Menschen verlieren Geld an der Börse.

Hier ist die Erklärung dazu:

1. Wir brechen in Panik aus, wenn die Zeiten hart sind und wir kaufen, wenn der Markt stark ansteigt

Wir kaufen zu einem hohen Preis und verkaufen zu einem tiefen Preis. Das trifft auf alle von uns zu. Es liegt in der Natur des Menschen. Wir sind psychisch nicht in der Lage, in einem volatilen Markt reich zu werden. Es erfordert einen Willensakt und viel Mühe, dieses destruktive Verhalten zu verstehen, zu akzeptieren und dann zu ändern.

Hier eine ernüchternde Tatsache: Die grosse Mehrheit der Anleger in Investmentfonds erhält tatsächlich schlechtere Renditen von ihren Fonds, als die Fonds selbst erzielen und verkünden. Lass dieses kleine Detail einen Moment auf dich wirken. Wie kann das sein? Wir können gar nicht anders, als zu versuchen, die Marktentwicklung vorauszusehen und deshalb ein- und aussteigen – fast immer zum falschen Zeitpunkt.

Warren Buffett sagt Folgendes dazu:

„Der Dow Jones begann das letzte Jahrhundert bei 66 und endete bei 11.400. Wie kann man in einem solchen Zeitraum Geld verlieren? Viele Leute haben es getan, weil sie versucht haben, ein- und auszusteigen.

2. Wir denken, dass wir einzelne Aktien aussuchen können

Du kannst nicht die Gewinneraktien herauspicken. Kein Grund, dich deswegen schlecht zu fühlen. Ich kann es auch nicht. Und mehr als 80 % der meisten Profis auch nicht.

Natürlich, von Zeit zu Zeit gelingt es und, “ach, du meine Güte!”, es ist so ein berauschendes Gefühl, wenn es gelingt. Es ist unglaublich aufregend. Eine Aktie auszuwählen, die in die Höhe schiesst, ist ein intensives und süchtig machendes Erlebnis. Die Medien und das Internet sind voller “Gewinn”-Strategien, die von dieser Illusion zehren.

Letztes Jahr habe ich einen Trend erkannt und in fünf Monaten 19 % Gewinn mit den fünf Titeln erzielt, die ich ausgewählt hatte. (Seufz … ich bin immer noch süchtig danach). Das sind annualisiert fast 60 %. Und das, obwohl der Markt das ganz Jahr über stagnierte. Das ist spektakulär, wenn ich das so sagen darf. Es ist aber auch unmöglich, Jahr für Jahr solche Ergebnisse zu erzielen.

Es ist extrem schwierig, Jahr für Jahr den Index, auch nur geringfügig, zu schlagen. Nur ein paar Investoren haben es geschafft, ihn im Laufe der Zeit leicht zu übertreffen. Diese Performance hat sie zu Superstars gemacht. Deshalb sind Warren Buffett, Michael Price und Peter Lynch Namen, die jeder kennt. Meine gelegentlichen Erfolge lasse ich mir daher nicht zu Kopf steigen. Aus diesem Grund überlasse ich den Indexfonds die Knochenarbeit in meinem Portfolio.

Um mehr über dieses Thema zu erfahren, hier der zweite Artikel, den ich im Blog geschrieben habe: Why I can’t pick winning stocks, and you can’t either (auf Englisch).

Und hier meine Meinung zu einer derzeit beliebten Strategie:: Dividend Growth Investing (auf English).

3. Wir denken, dass wir erfolgreiche Investmentfondsmanager aussuchen können

Aktiv verwaltete Aktienfonds (Fonds, die von professionellen Fondsmanagern verwaltet werden, im Gegensatz zu Indexfonds) sind ein riesiges und hochprofitables Geschäft. Profitabel für die Unternehmen, die sie betreiben.* Für die Investoren nicht so sehr.

Sie sind so rentabel, dass es tatsächlich mehr Investmentfonds als Aktien gibt. Du hast richtig gelesen. Ja, auch mich erstaunt das.

Es ist so viel Geld im Spiel, dass die Investmentfirmen ständig neue Fonds lancieren, während sie diejenigen, die scheitern, begraben. Die Finanzmedien sind voller Geschichten von erfolgreichen Managern und Fonds und entsprechender Werbung. Die Ergebnisse werden analysiert. Die Manager interviewt. Unternehmen wie Morningstar haben sich auf die Erforschung und Bewertung von Fonds spezialisiert.

Tatsache ist, dass nur 20 % der Manager es schaffen, den Index im Laufe der Zeit zu schlagen. 80 % scheitern. 100 % von ihnen verrechnen dir hohe Gebühren für den Versuch. Es ist unmöglich, vorherzusagen, wer zu diesen raren 20 % gehören wird.

Jeder Fonds-Prospekt beinhaltet folgenden Satz: “Die Ergebnisse der Vergangenheit sind keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.” Es ist der Satz im Dokument, der am meisten ignoriert wird. Und es ist auch der, der am meisten zutrifft.

Hier ist ein kleiner “Trick”, den die Investmentfondsgesellschaften anwenden. Wenn einer ihrer Fonds zu schlecht abschneidet, dann schliessen sie ihn einfach diskret und transferieren die Aktiva in einen anderen Fonds, der besser abschneidet. Der schlechte Fonds verschwindet und die Firma kann weiterhin so tun, als ob all ihre Fonds Stars wären. Toll.

Man kann viel Geld mit aktiv verwalteten Fonds verdienen. Aber nicht die Investoren. Möchtest du mich noch mehr darüber schimpfen hören? Dann lies diesen Artikel: The Bashing of Index Funds, Jack Bogle and a Jedi Dog Trick (auf Englisch).

4. Wir spielen im falschen Teil des Pools

Mmmm. Ein gutes Bier!

Mmmm. Ein gutes Bier!

Stell dir vor, du hast gerade ein paar Stunden damit verbracht, alle wertvollen Artikel auf jlcollinsnh zu lesen. (Das solltest du auch!) Da du dir eine Belohnung verdient hast, öffnest du eine Flasche deines Lieblingsgetränks und schenkst es in ein kühles Glas ein.

Wenn du das schon einmal gemacht hast, weisst du, dass wenn du es vorsichtig seitlich einschenkst, dein Glas hauptsächlich mit Bier und ein bisschen Schaum obendrauf gefüllt ist. Wenn du es schnell und in der Mitte einschenkst, dann kann es schnell passieren, dass du ein Glas mit ein bisschen Bier und hauptsächlich Schaum hast.

Nun stell dir vor, dass es jemand anderer für dich eingeschenkt hat, ohne gesehen zu werden, und zwar in einen Becher, in den du nicht hineinsehen kannst. Dann hast du keine Chance, zu erkennen, zu welchen Teilen der Inhalt je aus Bier und Schaum besteht. Und genauso verhält es sich mit dem Börsenmarkt.

Die Börse besteht nämlich auch aus zwei ganz unterschiedlichen Teilen:

  1. Das Bier sind: die aktiven Unternehmen, an denen wir uns beteiligen können.
  2. Der Schaum sind: die gehandelten Papiere, deren Preise von einem Moment zum anderen rasant steigen und fallen. Das ist der Markt von CNBC. Das ist der Markt des täglichen Börsenberichts. Das ist der Markt, von dem die Leute sprechen, wenn sie die Wall Street mit Las Vegas vergleichen. Das ist der Markt der täglichen, wöchentlichen, monatlichen und jährlichen Volatilität, die den durchschnittlichen Investor aus dem Fenster und auf den Sims treibt.
Dies ist der Markt, den du absolut ignorierst, wenn du klug bist und langfristig Vermögen aufbauen willst.

Dies ist der Markt, den du absolut ignorierst, wenn du klug bist und langfristig Vermögen aufbauen willst.

Wenn du dir den täglichen Kurs einer Aktie ansiehst, ist es unmöglich zu wissen, wie viel davon Schaum ist. Aus diesem Grund kann der Wert eines Unternehmens an einem Tag sinken und am nächsten Tag steigen. Deshalb kommen auf CNBC ständig Experten mit beeindruckenden Referenzen zu Wort, die selbstbewusst vorhersagen, in welche Richtung sich der Markt als Nächstes entwickeln wird – und sich dabei gegenseitig widersprechen. All diese Trader wetteifern darum, zu erraten, wie viel Bier tatsächlich im Glas ist und wie viel davon Schaum ist.

Auf Dauer ist es das Bier, das zählt.

Es ist das Bier, das heisst, die realen, operativen und Geld machenden Unternehmen, die unter all dem Schaum stecken und den Markt unermüdlich nach oben treiben.

Du musst auch verstehen, dass die Medien von diesen Kommentatoren Dramatik erwarten. Kein Mensch sitzt vor dem Fernseher, wenn ein vernünftiger Mensch über langfristige Investitionen spricht. Aber wenn jemand verspricht, dass der Dow Jones am Ende des Jahres bei 20.000 Punkten stehen wird oder, noch besser, dass er kurz davor ist, in den Keller zu rauschen, dann hast du gute Einschaltquoten!

Aber das ist alles nur viel Lärm, der uns nicht interessiert. Wir sind wegen des Biers da!

Das nächste Mal sprechen wir von diesem grossen und hässlichen Ereignis.

Addendum von JL

* Neben einer schlechteren Performance als Indexfonds kosten aktiv verwaltete Fonds auch mehr und diese Kosten wirken sich sehr stark und negativ auf deine Erträge aus. Mein Freund Shilpan hat einen ausgezeichneten Artikel zu diesem Thema veröffentlicht: That Mutual Fund is Robbing Your Retirement (auf Englisch).


Notizen von MP

Ich bin nicht anders als die anderen und auch ich hätte Geld an der Börse verloren, beim Versuch zu kaufen, wenn die Preise niedrig sind, und zu verkaufen, wenn sie hoch sind …

Diese Situation wäre eingetreten, wenn ich nicht verstanden hätte, was die Börse ist.

Als ich begonnen habe, Warren Buffett zu lesen und ihm zuzuhören, habe ich verstanden, dass eine Aktie kein “Ding ist, das heute CHF 100, morgen CHF 110 und übermorgen CHF 88 wert ist”.*

Nein, das ist die Definition eines Börsenmarkts: eine komplett irrationale und emotionale Sache.

Aber eine Aktie ist etwas anderes. Eine Aktie ist ein Anteil an einem wirklich realen Unternehmen, in denen echte Menschen arbeiten und die sich alle bemühen, im Vergleich zu Mitbewerbern konkurrenzfähig und produktiv zu bleiben.

Das ist es, was ich besitze, wenn ich eine Aktie kaufe.

Von dem Moment an, als ich das verstanden hatte, konnte ich mir vorstellen, an der Börse zu investieren – und zwar langfristig.

Und dass ich kaufen UND niemals wiederverkaufen würde, ohne mir Gedanken über die Höhen und Tiefen des Markts zu machen. Denn die Höhen und Tiefen des Markts sind einzig und allein auf das Empfinden von Menschen zurückzuführen, die die Papiere kaufen/verkaufen wollen und nicht viel von den dahinterstehenden Firmen verstehen, die sie besitzen.

Ich hüte mich davor, zu sagen, dass ich diese dahinterstehenden Firmen kenne. Diesen Teil überlasse ich meinem ETF, der nur die besten Unternehmen behält. Und was das tägliche operative Management dieser Firmen angeht, sind ihre Mitarbeiter meines Erachtens in der besten Position, um zu wissen, was zu tun ist, um ihr Unternehmen voranzubringen (verglichen mit den Analysen der sogenannten “Experten”).

Ich hoffe, dass du dasselbe Aha-Erlebnis haben wirst, wie ich damals, als ich verstanden habe, was die Börse und was eine Aktie wirklich ist. Dadurch konnte ich mich langfristig “an die Börse wagen”, praktisch ohne Angst (und seit über einem Jahrzehnt Gewinne in Höhe von Zehntausenden von CHF erzielen).


Bildnachweis: jlcollinsnh.com



Wie üblich schreibe und rezensiere ich nur Dinge, die ich in meinem persönlichen Alltag verwende oder denen ich vertraue.

Danke fürs Lesen!